Abwrackprämie Erschreckende Bilanz der Autoverschrottung

Die Abwrackprämie kam so gut bei den deutschen Kunden an, dass sie weltweit zum Vorbild für Krisenprogramme wurde. Inzwischen sind die Subventionen ausgelaufen und es kann Bilanz gezogen werden. Das Ergebnis ist erschreckend.

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Schrottautos Quelle: APN

Deutsch ist nun wahrlich keine Weltsprache. Aber ein paar Wörter konnten wir im internationalen Wortschatz unterbringen: Schöne Dinge wie den Kindergarten und das Fräuleinwunder, melancholische wie Angst und Weltschmerz und furchtbare wie Nazi und Blitzkrieg. Zu unseren jüngeren Exportschlagern gehören „Le Waldsterben“ und „The Zeitgeist“. Womöglich kommt demnächst noch ein Wort dazu: „The Abwrackprämie“.

Deutschland hat 2009 als eines der ersten Länder Milliarden an Steuergeldern ausgeschüttet, um alte Autos auf den Schrottplatz und neue an die Frau und den Mann zu bekommen. Der Ansturm der Geiz-ist-geil-trainierten deutschen Kunden auf die Prämie war so gewaltig, dass das Modell weltweit Nachahmer fand. US-Zeitungen feierten die Abwrackprämie als geniale deutsche Erfindung, amerikanische Auto-Manager übten sich auf Automessen geduldig in der korrekten Aussprache des sperrigen Wortes.

Nun, da die Prämie in Deutschland und allen Nachahmer-Staaten ausgelaufen ist und die Verkaufszahlen für die Post-Abwrackprämien-Ära vorliegen, kann Bilanz gezogen werden für eine der teuersten Konjunkturspritzen der deutschen Geschichte. So viel vorne weg: Die Bilanz ist verheerend.

Ziemlich dreiste Milchmädchen-Rechnung

Markt: Fünf Milliarden Euro spendierte der deutsche Staat, 2500 Euro pro verkauften Neuwagen. Das ließ die Verkaufszahlen 2009 auf 3,8 Millionen Autos nach oben schnellen, von durchschnittlich 3,3 Millionen in den Jahren 2000 bis 2008. Im Jahr nach der Prämien-Party folgte der Kater: Zahlreiche Kunden haben wegen der Förderung den Autokauf vorgezogen, sie fehlten 2010 in den Autohäusern. Der Absatz brach auf 2,9 Millionen ein.

Nach einer aktuellen Studie des Centers für Automobilmanagement an der Universität Duisburg-Essen (CAMA) braucht der Markt noch bis 2012, um sich von den Folgen der Abwrackprämie zu erholen. Zudem habe die Prämie die Verbraucher an ein Rabattniveau gewöhnt, das den Hersteller schwer zu schaffen macht. Die Preisstrukturen in Deutschland seien durch die Prämie „nachhaltig beschädigt“.

Dass die Prämie für den Steuerzahler quasi kostenlos gewesen sei – wie mancher Hersteller und Autoverband gerne behauptet – weil sie 2009 zu Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer geführt habe, wäre damit als ziemlich dreiste Milchmädchen-Rechnung entlarvt. Auf das Steuerplus 2009 folgt ein sattes Minus in den Jahren 2010 und 2011.

Die simple Wahrheit ist: 27 Millionen Steuerpflichtige haben zwei Millionen Autokäufern 2500 Euro geschenkt.

Die Bilanz in Westeuropa ist nicht besser. Nach dem Auslaufen der Abwrackprämien brachen in einzelnen Ländern die Autoverkäufe teilweise um 25 Prozent ein. In diesem Jahr sanken die Neuzulassungen in Westeuropa um fünf Prozent. Im kommenden Jahr gehen sie laut Berechnungen des Marktforschers Polk weiter zurück und werden 13 Prozent unter dem Vorkrisenniveau von 2007 liegen.

Branche: Anhänger der Prämie behaupten, die Milliardensubvention habe die deutsche Autoindustrie in der Krise vor dem Schlimmsten bewahrt. Tatsächlich war die Prämie aber vor allem ein Förderprogramm für ausländische Kleinwagen-Anbieter. Fiat verkaufte 2009 sensationelle 86 Prozent mehr Autos, nicht viel kleiner war das Plus etwa bei Hyundai, Kia oder Suzuki. Der Marktanteil ausländischer Autobauer stieg sprunghaft um fast elf Prozentpunkte auf rund 55 Prozent.

Aus der gut gemeinten Nothilfe wurde sogar eine ernste Belastung für die deutschen Nobelmarken. Denn wegen des Sturms auf die geförderten Neuwagen wurden gebrauchte Audis, BMWs und Mercedes zu Ladenhütern. Der Gebrauchtwagenmarkt brach auf breiter Front ein und erholte sich erst in den vergangenen Monaten wieder.

Was die deutschen Autobauer in der Krise rettete, war nicht die Abwrackprämie. Es war die staatlich geförderte Kurzarbeit und nicht zuletzt die Globalisierung: Ohne die überraschend starke Nachfrage nach deutschen Autos aus Asien, stünden die deutschen Autobauer noch immer am Abgrund.

Ökonomischer und ökologischer Unsinn

Umwelt: Offiziell hieß die Abwrackprämie „Umweltprämie“. Die deutschen Medien bewiesen einen guten Riecher, als sie diesem von Bundesregierung ersonnenen Begriff keine Chance gaben und die Subventionen konsequent nach dem benannten, was sie war: Eine banale Förderung des Abwrackens.

Denn für die Umwelt brachte die Prämie nichts, wie in einer Studie des Bundesumweltministeriums herausstellte. Die neuen Autos waren schadstoffärmer als die alten. Dem steht aber gegenüber, dass die Herstellung eines Autos mehr Energie braucht, als der Betrieb. Ein Auto früher als nötig zu verschrotten, ist deshalb unsinnig. Die Bilanz des Umweltministeriums: „Zur CO2-Minderung des Pkw-Verkehrs tragen die neuen Pkw kaum bei.“

Der ökonomische Unsinn der Abwrackprämie ist inzwischen sogar wissenschaftlich belegt. Eine amerikanische Untersuchung, die Regionen in den USA mit und ohne Abwrackprämie verglich, kommt zu dem Schluss: Der Effekt der nach deutschen Vorbild gestrickten Prämie war nur wenige Monate nach dem Auslaufen fast gänzlich verpufft. Die Autokäufe, die wegen der Abwrackprämie stattfanden, hätte es wenig später ohnehin gegeben. Das Förderprogramm in den USA war, so folgern die Ökonomen der Universitäten Berkely und Chicago, ein knapp drei Milliarden Dollar teures Strohfeuer ohne nachhaltige Impulse für die Konjunktur.

Bleibt die Hoffung, dass die deutsche Politik aus der Förder-Katastrophe lernt – und dass die Amerikaner erkennen, dass sie das deutsche „Wort des Jahres 2009“ besser wieder aus ihrem Wortschatz streichen.

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